Auch in diesem Sommer haben die Mitglieder unseres Vereins an zahlreichen Turnieren teilgenommen. Ich (Viktor) möchte hier das GM-Open im tschechischen Pardubice beleuchten. Vielleicht ist der ein oder andere dadurch inspiriert im nächsten Jahr mitzukommen.
Anreise
Wie jedes Jahr fand in Pardubice ein Open vom 19.07. bis 27.07. statt. Und wie jedes Jahr waren Vertreter von Mattnetz vor Ort. Die diesjährige Delegation bestand aus Henrik, Malina und mir. Für Henrik war das mittlerweile die 7. Teilnahme an diesem Turnier.
Um überpünktlich da zu sein, traten wir unsere Reise in das ferne Tschechien schon am Vortag um kurz nach 7 Uhr an. Damit wir zu dieser frühen Stunde auch gleich wach werden, war die tschechische Bahn auch so nett und hat uns die Plätze in einem Wagen verkauft, der überhaupt nicht am Zug hing. Begeisterung pur, und das ohne die Grenzen von Berlin verlassen zu haben. Immerhin kamen wir pünktlich 6 Stunden später an unserem Ziel an und hatten noch über 24 Stunden bis zur ersten Runde.
Genug Zeit um in die Ferienwohnung einzuchecken und anschließend das Touristenprogramm zu erledigen. Hotel Labe, die Innenstadt, Schwimmbad und das Einkaufscenter sind immer wieder ein Besuch wert. Nach der Anmeldung beim Turnier, endete der erste Tag dann beim Asiaten. Das Turnier konnte beginnen.
Henriks Turnier
Das Ziel dieses Turniers war für Henrik klar: die erste IM-Norm und damit verbunden ein saftiges ELO-Plus.
Mit 2 Punkten aus den ersten 2 Tagen war der Start zumindest geglückt und in der 3. Runde ging es dann erstmals gegen einen nominell stärkeren Gegner: der erst 14-jährige IM Vaclav Finek. Der Schluss dieser Partie ist wirklich sehenswert.
Hesse,Henrik (2297) – Finek,Vaclav (2452)
Es sieht nicht gut aus für Henrik. Der Läufer ist angegriffen und alle Alternativen sind schlecht. Nach 63. Tf8 Se6 werden die Leichtfiguren getauscht und das Endspiel ist verloren. Nach 63.Ld7 b3 ist der schwarze Bauer nicht aufzuhalten und 63.Lb1 Sh3+ verliert den g-Bauern und damit die letzte Hoffnung von Weiß. Hier zeigt Henrik, wieso er ein FM ist.
63. Rf8!! Ne6
64. g6!! Nxf8
65. g7 Rxf5+
66. Ke3
Ein hübsches Bild. 1 Bauer gegen eine ganze Armee. Aber Schwarz ist nicht in der Lage die Umwandlung zu verhindern.
Die Stellung bleibt natürlich kritisch. Berühmtermaßen hat Nepo gegen Carlsen in ihrem WM-Match ein ganz ähnliches Endspiel verloren.
66. … Re5+ 67. Kd2 Ne6 68. g8=Q Kc4 69. Qa8 Nd4 70. Qa6+ Kc5 71. Qa7+ Kc4 72. Qa6+ Rb5 73. Kc1 Kd5 74. Kb2 Rc5 75. Qa8 Rc2+ 76. Kb1 Re2 77. Qb7 b3 78. Qf7+ Kc5 79. Qa7+ Kc4 80. Qa4+ Kd3 81. Qxb3+! Nxb3
Patt
1/2-1/2
Mit dieser Partie war Henrik einer von 3 Spielern, die dem späteren Turniersieger einen halben Punkt abringen konnten.
Danach lief es aber wechselhafter. Ein taktisches Übersehen gegen einen GM in einer besseren Stellung kostete Henrik die 4. Runde. Nach 2 Siegen in der 5. und 6. Runde, kam aber eine weitere Niederlage in der 7. dazu und damit haben sich die Chancen auf eine IM-Norm erledigt. Nach einem Remis und einem Abschlusssieg, standen bei Henrik am Ende trotzdem gute 6/9 Punkte und +16 ELO. Ob er damit zufrieden ist, könnt ihr ihn persönlich fragen. Vor der letzten Runde sah es aber noch so aus:
Bild: Henrik vor der letzten Runde. (man beachte die grünen Haare im Hintergrund)
Viktors Turnier
Meine Ziele für die Reise nach Tschechien waren bescheidener als die von meinem Mannschaftsleiter. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich die 2100 ELO erreichen.
Am Anfang sah es nicht wirklich gut aus. 2 FMs in den ersten 2 Runden brachten mir nur 0,5 Punkte ein. Den zweiten hätte man auch schlagen können, Remis am Ende war aber leistungsgerecht. Die 3. Runde bescherte mir einen der untersten Gegner von der Startrangliste. Dementsprechend wollte ich mit Schwarz gewinnen. Vielleicht zu viel. Nach einem zweifelhaften Bauernopfer bin ich nur knapp mit meiner Haut entkommen. Remis war weniger als ich mir erhofft, aber mehr als ich verdient habe. 4. Runde war nicht besser. Aus der Eröffnung direkt in die Niederlage. 1/4 darf man als einen Fehlstart bezeichnen.
Die Wende kam dann in der 5 Runde. Mein erster Sieg in diesem Turnier. 6. und 7. Runde waren relativ ereignislose Remisen gegen 2 22XX Gegner. Damit konnte ich zufrieden sein. Und dann kam die vorletzte 8. Runde. Das wohl überraschendste Ergebnis meiner Schachkarriere. Hier ist das Ende dieser denkwürdigen Partie:
Pererva,Viktor (2091) – Kula,Dominik (2239)
Ich habe 2 verbundene Freibauern weniger. Wenn ich nicht sofort Gegenspiel finde, kann ich aufgeben.
41. Na4 Rh7
42. Nxc5 Nf3
43. Rf4 h3
44. d6
auf einmal läuft mein eigener Freibauer und es droht Matt. Meinen Gegner hat das sichtlich überrascht.
44. … Rh8
45. d7+ Kc7
46. Rf7 Nd4+
47. Kf2 h2
48. Nxb7
das war die Idee. Es droht die Umwandlung mit Abzugsschach. Der Gewinn für Schwarz gestaltet sich schwieriger als mein Gegner sich das vorgestellt hat. Trotzdem findet er den besten Zug hier.
48. … Kb6
das war´s könnte man meinen. Der schwarze Bauer geht durch und der weiße ist aufgehalten
49. Th7!!
objektiv ist die Stellung nach diesem Zug immer noch verloren aber Schwarz muss jetzt eine mutige Entscheidung treffen und die entstandene Stellung richtig bewerten. Mein Gegner schafft das nicht.
49. … h1=Q?!
Einfacher gewonnen hätte
49. … Txh7 50. d8=Q+ Kxb7 51. Dd5+ Sc6 52. Dh1.
Der schwarze Bauer ist zwar aufgehalten aber Weiß kann nicht mehr ziehen.
50. Rxh1 Rf8+
51. Ke3 Nf5+
52. Kf4 Ne7+?
jetzt ist die Stellung endgültig nicht mehr zu gewinnen für Schwarz
53. Kxg4 Kxb7
54. Rh7
Weiß übernimmt die Kontrolle und Schwarz muss schauen, dass er die Partie in ein Remis lenkt. Am einfachsten geht das mit 54. … Kc7 55. Txe7 Tf2. Der Freibauer ist aufgehalten und Schwarz sammelt den Damenflügel ein. Aber …
1-0
Mein Gegner gab in dieser remisen Stellung einfach auf! Warum? Keine Ahnung.
Zu der letzten Runde gibt Es nichts zu sagen. Verloren gegen einen besseren Spieler ohne je wirklich eine Chance gehabt zu haben.
Am Ende standen bei mir 4/9 Punkte und +9 ELO und damit genau die 2100! Mit den Ergebnis bin ich mehr zufrieden als mit dem was ich auf´s Brett gezaubert habe. Aber am Ende zählen die Resultate.
Bild: Viktor vor der letzten Runde
Malinas Turnier
Pardubice-Neuling Malina musste raitingbedingt in der B-Gruppe starten. Diese bestand aus Spielern mit ELO 1500-2100, was Setzlistenplatz in der ersten Hälfte und einen vermeintlich schwächerer Gegner in der ersten Runde bedeuteten.
Das Turnier hatte für Malina eine klare Struktur: mit Weiß wird der Gegner gnadenlos zusammengeschoben und mit Schwarz fragt man sich wieso keiner den offenen Sizilianer spielt. Die Ergebnisse sprechen für sich. 4/5 mit Weiß (5/5 wären auch drin gewesen) und 1/4 mit Schwarz. Wenn man die erste Runde ausklammert, waren alle Gegner höher gesetzt. 5/9 ist da ein sehr gutes Ergebnis. +27 ELO können sich auch sehen lassen.
Hier ein Beispiel aus der 7. Runde wie kompromisslos Malinas Spiel geworden ist.
Lange,Malina (1831) – Leppert,Stefan (1945)
Die Eröffnung hat weiß für sich entschieden. Jetzt muss man den richtigen Plan finden. Malina lässt sich nicht vom starken Turm auf h3 beirren und findet die richtige Idee: Angriff am Damenflügel und die damit verbundene Überführung des Turms zurück.
22. Rf3! Reb8
23. Rff1! Be8
24. Rfb1! N8d7
25. b5 Nxe5
26. fxe5 Ng4 27. Qc1 Bh6 28. Nd1 g5 29. Bg3 Bf8 30. Qc2 Qf7 31. h3 Nh6 32. Nc3 g4 33. hxg4 Nxg4 34. Bf4 Bh6 35. Qe2 Qh5 36. g3 Qh3 37. Qg2 Qxg2+ 38. Kxg2 Nxe3+ 39. Kf3 Bxf4 40. Kxf4 Ng4 41. Rb2 Rc8 42. Rab1 Rc7 43. bxc6 Bxc6 44. Bb5 b6 45. Bxc6 Rxc6 46. Na4 Kg7
ca. 20 Züge später dreht sich das Spiel immer noch um die Frage ob Weiß am Damenflügel durchkommt und ob Schwarz am Königsflügel genug Gegenspiel generieren kann. Mittlerweile hat Malina einen Bauern geopfert, um wichtige Felder für die Figuren zu bekommen und die gegnerischen passiv zu stellen. Das Spiel befindet sich aber im Gleichgewicht und weiter ist langsames lavieren angesagt. Malina sah das aber anders.
47. Nxb6?!
objektiv ist das nicht gut, aber wenn das für den Schwarzen überraschend kommt und er sich zu sehr auf die weißen Freibauern konzentriert, kann das funktionieren. Das war hier der Fall.
47. … axb6 48. cxb6 Rc4 49. b7 Rb8 50. Rb4 Rc2 51. R1b2 Rc3 52. a4 Ne3 53. a5 Ra3 54. R4b3 Nc4 55. Rxa3 Nxa3 56. a6
1-0
Bild: Malina fragt sich während der 2. Runde wieso sie eigentlich so viel Eröffnungstraining macht, wenn die Leute sowieso 1. e3 2. d3 gegen sie spielen
Abreise
Nach der Siegerehrung am nächsten Tag war die Zeit gekommen nach Hause zu fahren. Dabei haben wir auch festgestellt, dass Henriks hart umkämpfter Sieg in der letzten Runde tatsächlich auch durch die Buchholz das Turnier entschieden hat. Abschießend habe ich mich dann doch dazu überreden lassen mir ein T-Shirt zu kaufen.
Kurz nach 14 Uhr saßen wir dann in dem direkten Zug nach Berlin. Unsere Plätze waren diesmal da aber der Zug war 40 min zu spät. Irgendwas ist immer.
Viel Zeit bis zum nächsten Turnier blieb nicht. 2 Wochen später haben wir uns in einer größeren Gruppe in Berlin beim Lichtenberger Sommer gesehen. Das ist aber ein anderer Bericht.