OQT 2025

Die Osterzeit ist jedes Jahr auch Schachzeit, denn die besten Spieler Berlins treffen in der Berliner-Einzelmeisterschaft aufeinander. Da sich dort die Elite tummelt, trägt sie passenderweise den Namen „Meisterklasse“. Wer sich auch mit diesen Feld Topspielern und Titelträgern wie beispielsweise Fide-Meister Henrik Hesse, manchen eventuell ein Begriff, messen will, muss sich vorab erstmal beweisen. Hierfür muss man sich im sogenannten Qualifikationsturnier gegen eine große Zahl an ambitionierten Meisterklasseaspiranten durchsetzen. Auch dieses Jahr waren wir wieder mit einigen Mattnetzern dabei, die versuchten in die Fußstapfen Georg Tscheuschners zu treten und das Turnier zu gewinnen, oder aber einfach Erfahrung und möglichst viele DWZ/Elo-Punkte zu sammeln.

Bei meinem kleinen Bericht werde ich (Max Teschke), selbstverliebt wie ich bin, hauptsächlich von meinem Turnier berichten, da ich zwar immer mit allen mitgefiebert, aber im Detaill von den anderen nicht alles detailliert mitbekommen habe.

Nach langer Vorrede jetzt zum Turnier.

Voller Tatendrang und Hoffnung habe ich mich am Ostersamstag für die 1. Runde ans Brett gesetzt. Vielleicht könnte ich ja mit ein bisschen Glück meinen 3. Platz aus dem Vorjahr bestätigen. Mit richtig viel Glück waren vielleicht sogar die benötigten 7,5/9 Punkte möglich, die man für die Quali für die Meisterklasse braucht. Allerding bekam meine Stimmung einen kleinen Dämpfer als ich meinen Gegner sah. Ein 12-jähriges Talent mit ca. 1850 DWZ, was für mich, als mittlerweile quasi alter Hase, definitiv angsteinflößend war. Diese Angst stellte sich als berechtigt heraus, denn der leider sogar sehr sympathische junge Mann hat mich direkt mal weggeputzt. Ich startete also mit einer saftigen Niederlage ins Turnier und meine Hoffnungen lösten sich erstmal in Luft auf. Jetzt noch 7,5/8 zu holen würde einer Art osterlichen Auferstehung gleichen. Meine Ziele verschoben sich also darauf möglichst die verlorenen DWZ-Punkte zurückzuholen. Dies gestaltete sich aber so gar nicht einfach. In der nächsten Runde bekam ich einen 10-Jährigen Gegner und danach ebenfalls einen Jugendlichen, der innerhalb des letzten Jahres von 1400 auf 1900 geklettert war. Ich war begeistert. Natürlich gelang es mir erfolgreich in beiden Partien Verluststellungen zu erreichen. Dank einiger Mithilfe meiner Gegner konnte ich aber der Katastrophe doch zu entgehen und stand nach 3 Runden dann doch irgendwie mit 2/3 Punkten da. Als ich die 4. Runde diesmal relativ leicht gewinnen konnte, hatte sich meine Laune gebessert und ich war wieder bei +- 0 Elo-Punkten. Es folgte ein solides Remis mit Schwarz gegen einen guten Gegner. Das war durchaus ok, aber mit 3,5/5 Punkten brauchte es jetzt 4/4 Punkten für die 7,5. Das hielt ich doch für sehr unrealistisch. Parallel hatte sich allerdings Silvio zu starken 4/5 Punkten gemausert und spielte ganz vorne mit, was uns alle besonders freute, insbesondere weil Silvio (generell im ganzen Turnier) super viel Positivität versprühte, die irgendwie ansteckend war. In der 6. Runde brachte mich meine akribische Eröffnungsarbeit bei Chessable (ich verbringe echt zu viel Zeit damit) in eine tolle Situation. Ich war nach 10 Zügen aus dem Buch und hatte einen Bauern weniger. Ich wusste, dass ich theoretisch nicht schlecht stehen konnte, da alle Züge vorher ja in meinem Kurs waren. Leider hatte mein Gegner gerade mit h6 meinen Plan Lg5 zu spielen verhindert, was mir logisch erschien und ich musste mir jetzt überlegen, wie ich seine einfache Idee zu rochieren und sich dann mit Mehrbauern einfach zu entwickeln, verhindern sollte. Zum Glück fand ich mit Dd3 im letzten Zug eine trickreiche Idee. Er rochierte trotzdem, was mir eine gewinnbringende Taktik erlaubte:

Lxh6! …nehmen kann Schwarz nicht wegen Dg6+ Kh8 Dxh6+ Kg8 und Sg5, was die Dame gewinnt.

Und nach …Sxb4 mit Doppelangriff auf Dame und Läufer folgt der schöne Zug Dg6! Es hängt gefühlt alles bei Weiß aber Schwarz wird mattgesetzt.

Mein Gegner spielte den vergleichsweise besten Zug …Se7 aber nach Sg5 g6 Lxf8 ist die Stellung hoffnungslos für Schwarz.

Ich brauchte also „nur“ noch 3/3, was mir zum ersten Mal im Turnier möglich schien. Ich ließ mich wahrscheinlich auch von Silvios Euphorie mitreißen, der sich mit einem weiteren Sieg ans Spitzenbrett gekämpft hatte (was besonders cool war, weil das 1. Brett wie die Spiele der M-Klasse live übertragen wurde). Diese Möglichkeit nutzte Silvio in der Folgenden Runde, um ein bisschen anzugeben. Gegen einen sehr starken Gegner packte er am Livebrett eine sehr schöne Taktik aus:

Silvio hat hier Schwarz und konnte bereits in der Eröffnung einen Bauern einsammeln. Nach dem letzten Zug des Gegner h4 setzt Silvio einen wunderschönen Schlusspunkt:

…Dxe2! Boom Silvio gewinnt einen Springer und damit die Partie. Wenn Weiß die Dame schlägt kommt …Sxg3+ und gewinnt die Dame zurück und hat einfach 2 Figuren mehr. Auf Silvios Niveau keine sehr schwere Taktik aber dennoch wunderschön.

Damit setzte sich Silvio mit 6/7 an die Spitze. Ich konnte meine Partie ebenfalls gewinnen und in der Vorletzten Runde kam es zum Duell der beiden mit Abstand besten Spieler im Turnier. Es kam zum Mattnetzduell am Spitzenbrett: Silvio gegen mich. Eigentlich sind Vereinspaarungen ja immer sehr ärgerlich und wir haben uns auch nicht darüber gefreut, aber wenn es sein muss dann am liebsten so. Wir waren mittlerweile bei gut ins Rollen gekommen und der Sieger würde Chancen auf den Turniersieg haben. Wie sich herausstellte hatten wir beide Angst vor der Vorbereitung des jeweils anderen. Deshalb wählte Silvio mit Weiß die harte Maßnahme 1. f4, was mich sehr freute, weil ich wusste, dass wir also eine Stellung kriegen, die wir vermutlich beide nicht so gut kennen und Silvio nicht extra etwas gegen mich herausgesucht hatte. In einer sehr umkämpften Partie, in der Silvio mich eigentlich etwas überspielt hatte, übersah er in Zeitnot eine Taktik, die mir den glücklichen Sieg brachte. Bitter für Silvio, der sich aber in klassischer Silvioweise für mich freute. Ich hatte es also irgendwie zu 6,5/8 Punkten geschafft und war nun wirklich nur noch einen Sieg von der M-Klasse und sogar dem Turniersieg entfernt. Vor der letzten Runde stand fest: mit einem Sieg wäre ich Turniersieger, ein Unentschieden würde aber nicht reichen. Klimaktisch passend spielte ich in der letzten Runde gegen den Setzlistenersten Daniel Weber mit einer für mich beneidenswerten Elo von ca. 2180. Wir spielten eine scharfe Variante im Sizilianer, in der ich einen Bauern opferte, aber Initiative und das Läuferpaar bekam. Nach einer superkomplizierten Partie konnte mein Gegner in folgender Stellung keine Verteidigung mehr finden und verlor auf Zeit:

Ich denke, hier war auch nichts mehr zu machen.

Ich habe mich riesig gefreut. Das ist mein erster Sieg eines so starken Turniers, insbesondere weil ich nach der Niederlage in der 1. Runde wirklich nicht mehr daran geglaubt hatte.

Die generelle Stimmung in der Gruppe war auch gut. Auch wenn Silvio das Turnier nicht so stark abschließen konnte, war es dennoch eine tolle Leistung von ihm und brachte ihm immerhin den 9. Platz, womit er auch auf die Bühne kam! (Entschuldigt bitte die Qualität des Fotos, aber irgendwo spiegelt es auch den Rausch des Moments wider^^)

Für Siggi lief das Turnier nicht so gut, aber er wird sicherlich im nächsten Jahr wieder angreifen. Für Leonardo, Adrian und Leon war das Turnier ok. Sie hatten sich zum Teil etwas mehr erhofft, aber manchmal muss man mit ca. +- 0 Punkten und einiges mehr an Erfahrung auch zufrieden sein. Simeon hat ein mit 50% und 60 Elo+ ein starkes Turnier gespielt und besonders Tim hat super abgeliefert und sich sogar die Silbermedaille in seiner Ratingkategorie erspielt.

Insgesamt war das Qualifikationsturnier also ein Erfolg für Mattnetz und die Atmosphäre im Team ist bei so einem Turnier immer besonders schön. Ich freue mich, nächstes Jahr in der M-Klasse gegen die Größen des Berliner Schachs wie Viktor Pererva, Jaroslaw Verbitsky, Georg Tscheuschner (falls er sich traut) Marcel Pedersen und FM Henrik Hesse antreten zu können.

(Auch hier kann man bemängeln, dass nicht alle in die Kamera schauen, aber das ist garnicht so leicht, wenn euch die tief stehende Sonne ins Gesicht prallt!)